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NEWSLETTER Liebe Freundinnen und Freunde! Der bedeutende Kirchenrechtsprofessor Dr. Klaus Lüdicke setzte sich in
der ZEITSCHRIFT O R I E N T I E R U N G , Nr. 17/2002, S. 178-181 mit
der EXKOMMUNIKATION DER 7 Frauen auseinander. Die IKvu brachte den
Artikel auf ihrer Website. Der Artikel ist von so herausragender
Qualität, dass wir ihn zitieren möchten. "Schutz durch das Recht? Historisch Interessierte werden sich an den "Bannstrahl" erinnert fühlen, den Päpste im Mittelalter nötigenfalls gegen z.B. Kaiser "schleuderten" - etwa im Investiturstreit. Eher gegenwartsorientierte Beobachter werden die Exkommunikation, die die Kongregation für die Glaubenslehre am 5. August 2002 über die sieben Frauen ausgesprochen hat, die sich am 29. Juni 2002 auf einem Donauschiff die Priesterweihe hatten erteilen lassen, als notwendige Klarstellung durch die obersten Glaubenshüter der Kirche wahrnehmen, während andere darin eine "absurde Reaktion" auf eine "absurde Aktion"1 sehen. Worum es sich wirklich handelt, möchte ich zu erklären und zu würdigen versuchen anhand des kirchlichen Strafrechtes, das leider ziemlich unbekannt ist - oder viel mehr glücklicherweise? Denn meist wird das Recht nur bewußt wahrgenommen, wenn es verletzt wird oder wenn es als Mittel zur Lösung von Konflikten gebraucht wird. Besonderheiten des kirchlichen Strafrechtes Vorauszuschicken sind einige Informationen über die Besonderheiten des kirchlichen Strafrechtes. Die Grundidee ist dieselbe wie die des staatlichen: Wenn eine Person eine Tat begeht, die im Strafgesetz mit einer Strafe bedroht ist, dann muß oder kann die zuständige Autorität in einem geordneten Verfahren Tat, Täter, Rechtswidrigkeit, Schuld und andere Voraussetzungen der Strafbarkeit prüfen, um in einem Verwaltungsdekret oder einem gerichtlichen Urteil eine Strafe zu verhängen. Die erste Besonderheit des kirchlichen Strafrechtes2 liegt darin, daß man sich eine Strafe ohne Eingreifen einer Autorität zuziehen kann. Kommt die gesetzliche Androhung einer sogenannten Tatstrafe (poena latae sententiae = Strafe des [schon] gefällten Spruches) mit der Verwirklichung des entsprechenden Tatbestandes zusammen, so erklärt das Gesetz den Täter für bereits bestraft. Es versteht sich, daß eine solche Tatstrafe eigentlich nur dem Täter selbst zur Beachtung aufgegeben ist, während Dritte davon in der Regel nichts wissen. Ein Beispiel: Can. 1388 § 1 CIC bedroht den direkten Beichtsiegelbruch mit der Exkommunikation als Tatstrafe. Wenn nur der Beichtvater selbst davon weiß, daß er Beichtwissen ausgeplaudert hat, kann nur er selbst durch die Strafe aufgefordert sein, sich an die Verbote der Exkommunikation nach can. 1331 § 1 zu halten und keinen öffentlichen Gottesdienst mehr zu halten, keine Sakramente zu spenden und zu empfangen, keine Ämter und keine Leitungsgewalt auszuüben. (Wie man sich das in der Praxis vorstellen soll, steht auf einem anderen Blatt.) Eine Tatstrafe ist, so sagt can. 1314 Satz 2 CIC, nur dann gegeben, wenn das Gesetz oder der Strafbefehl3 das ausdrücklich sagt. Alle anderen Strafen sind poenae ferendae sententiae (Strafen des zu fällenden Spruches), die erst durch ein Strafdekret oder ein Strafurteil existent werden und in der deutschen Terminologie "Spruchstrafen" genannt werden.4 Die zweite Besonderheit liegt in der Art der Strafen. Neben den sogenannten poenae expiatoriae - in der deutschsprachigen Kanonistik meistens mit "Sühnestrafen" übersetzt -, die ihre Parallele in den Haft- und Geldstrafen des staatlichen Rechtes haben5, gibt es sogenannte censurae, meist als "Beugestrafen" übersetzt. Ihr Charakteristikum ist, daß sie (vornehmlich) zur Besserung des Täters dienen, daher nur gegen einen Täter verhängt werden können, der sich fortdauernd gegen das Gesetz auflehnt, und aufgehoben werden müssen, wenn ein Täter von seiner Auflehnung Abstand nimmt (vgl. can. 1347 CIC). Nahezu alle Tatstrafen sind auch Beugestrafen, weil nur wenige Sühnestrafen - einige Ausübungsverbote im Sinne des can. 1336 § 2 - als Tatstrafen angedroht werden können. Eine dritte Besonderheit ist darin zu sehen, daß das kirchliche Recht in vielen Fällen keine konkrete, sondern nur eine gerechte Strafe androht, eine iusta poena, z. B. für die Anmaßung eines kirchlichen Amtes nach can. 1381 CIC. Es ist ein Gebot der Logik, daß eine solche iusta poena keine Tatstrafe sein kann und daß die Bestrafung nur durch ein Verfahren erfolgen kann, in dem die gerechte Strafe festgesetzt wird. Der Weg zu einer Kirchenstrafe Dadurch, daß eine Person eine Tat begangen hat, die mit einer Tatstrafe bedroht ist, unterliegt sie der Strafe, ohne daß die Autorität eingegriffen hat. Möglicherweise weiß sie von der Tat auch gar nichts.6 Wenn die Autorität von der Tat weiß, kann sie die Tatstrafe als eingetreten deklarieren. Dazu muß sie ein Strafverfahren im (kirchlichen) Verwaltungs- oder Gerichtsweg durchführen, in dessen Rahmen die Voraussetzungen für den Eintritt der Tatstrafe geprüft werden und die fortdauernde Auflehnung des Täters gegen die Rechtsordnung festgestellt werden muß.7 Wenn eine solche Deklarierung einer Tatstrafe stattgefunden hat, treten weitere Strafwirkungen ein, weil z. B. die Exkommunikation jetzt von Dritten berücksichtigt werden kann und muß.8 Aufgrund eines Strafverfahrens im genannten Sinne kann eine Spruchstrafe verhängt werden, sei es, daß sie im Strafgesetz konkret angedroht wurde (z. B. wird das Kleriker-Konkubinat mit der Suspension bedroht, can. 1394 § 1), oder mit unbestimmtem Strafmaß als iusta poena (wie im zitierten can. 1381 § 1). Die Bestrafung mit Spruchstrafen setzt per definitionem ein Strafverfahren voraus, auch wenn eine konkrete Strafe angedroht ist. Als Spruchstrafen können Beugestrafen (censurae) oder Sühnestrafen (poenae expiatoriae) verhängt werden, erstere aber wiederum nur, wenn die Auflehnung des Täters gegen die Rechtsordnung fortdauert. Worum handelt es sich bei der Exkommunikation der "Priesterinnen"? Als Reaktion darauf, daß sich sieben Frauen von einem exkommunizierten Bischof - daß er selbst gültig geweiht sei, wird von der Glaubenskongregation nicht thematisiert9 - haben das Sakrament der Priesterweihe spenden lassen, hat die Glaubenskongregation zwei Verlautbarungen herausgegeben. Die erste ist mit dem 10. Juli 2002 datiert und trägt den Titel "Dichiarazione (Monitum)" - Erklärung (Mahnung). Ihr Inhalt ist, soweit hier relevant: "Die vorgenommene «Priesterweihe» ist die Simulation eines Sakramentes und daher ungültig und nichtig und stellt eine schwerwiegende Straftat gegen die göttliche Verfassung der Kirche dar. Weil der «weihende» Bischof einer schismatischen Gemeinschaft angehört, handelt es sich darüber hinaus um einen schweren Verstoß gegen die Einheit der Kirche. ... Mit dieser Erklärung ... ermahnt die Kongregation förmlich gemäß can. 1347 § 1 CIC die ... Frauen, daß sie sich die Exkommunikation, die dem Heiligen Stuhl [zur Behandlung] vorbehalten ist, zuziehen, wenn sie nicht bis zum 22. Juli (1) die Nichtigkeit der von einem schismatischen Bischof empfangenen und im Widerspruch zur definitiven Lehre der Kirche stehenden «Weihen» anerkennen, und (2) sich für reuig erklären und um Verzeihung bitten für das Ärgernis, das sie unter den Gläubigen angerichtet haben." Die Erklärung ist vom Präfekten (Kardinal Ratzinger) und vom Sekretär (Erzbischof Bertone) unterzeichnet.10 Die zweite Verlautbarung ist mit "Decreto di scomunica" überschrieben - Exkommunikationsdekret - und es geht ihr eine "Premessa al Decreto di scomunica" - eine Vorrede - voraus, die in einem einzigen Satz erklärt, daß der weihespendende Bischof als Schismatiker bereits der Exkommunikation unterlag. Der Inhalt des Exkommunikationsdekrets lautet (in meiner Übersetzung, die im Internet vom Vatikan verbreitete ist ungenau): "Unter Bezugnahme auf die Mahnung dieser Kongregation vom 10. Juli ... und angesichts der Tatsache, daß innerhalb der gesetzten Frist vom 22. Juli 2002 die Frauen ... [es folgen die sieben Namen] keinerlei Zeichen des Umdenkens oder der Reue über die von ihnen begangene überaus schwere Straftat gezeigt haben, erklärt diese Behörde in Konsequenz der genannten Mahnung, daß die genannten Frauen sich die dem Heiligen Stuhl [zur Behandlung] vorbehaltene Exkommunikation zugezogen haben mit allen Wirkungen, die im can. 1331 CIC festgesetzt sind." Der um den Ausdruck der Hoffnung, daß die Bestraften mit Hilfe des Heiligen Geistes den Weg zurück zur Einheit des Glauben und der Gemeinschaft der Kirche finden werden, ergänzte Text ist ebenfalls vom Präfekten und vom Sekretär der Kongregation unterzeichnet. Zum Verständnis der Verlautbarungen der Kongregation Im Folgenden soll nicht erörtert werden, ob und wie sich die sieben Frauen vielleicht strafbar gemacht haben oder noch strafbar machen könnten. Es geht vielmehr allein darum, die Verlautbarungen der Kongregation anhand des kanonischen Strafrechtes zu würdigen. Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung eines Grundrechtes der Gläubigen im can. 221 § 3 CIC, in dem es heißt: "Die Christgläubigen haben das Recht, mit kanonischen Strafen nur nach Maßgabe des Gesetzes belegt zu werden."11 Tat- oder Spruchstrafe? Welche Straftat? Die sieben Frauen können aber Mittäterinnen der Straftat des Bischofs im Sinne des can. 1329 § 1 CIC sein. Darin heißt es: "Diejenigen, die durch gemeinsamen Plan, eine Straftat zu begehen, bei einer Straftat zusammenwirken und im Gesetz oder Befehl nicht ausdrücklich genannt werden, unterliegen, wenn Spruchstrafen gegen den hauptsächlichen Urheber festgesetzt sind, denselben Strafen oder anderen von gleicher oder geringerer Schwere." Nach can. 1379 ist gegen den Bischof eine Spruchstrafe angedroht, nämlich eine iusta poena. Sie könnte also auch den sieben Frauen angedroht sein. Wie oben ausgeführt wurde, bedarf es zur Verhängung einer Spruchstrafe eines Strafverfahrens. Eine Tatstrafe ist durch can. 1329 § 1 in Verbindung mit can. 1379 nicht angedroht, kann also auch nicht auf dieser Grundlage eingetreten sein. Als zweiten Sachverhalt nennt die Kongregation im Monitum "un grave delitto contro la divina costituzione della Chiesa". Wenn man "delitto" hier nicht als rechtlichen Terminus versteht, sondern als allgemeinen Ausdruck für einen schwerwiegenden Verstoß, kann man dem beipflichten. Einen gesetzlichen Straftatbestand des "schwerwiegenden Verstoßes gegen die göttliche Verfassung der Kirche" kennt das kanonische Strafrecht aber nicht. Als Drittes wird im Monitum von "grave offesa contro l'unità della Chiesa" gesprochen, von einem schweren Verstoß gegen die Einheit der Kirche. Handelt es sich um die Straftat des Schismas im Sinne des can. 1364 CIC? Das Schisma ist mit der Exkommunikation als Tatstrafe bedroht. Der Tatbestand des Schismas steht im Lehr-Recht (Buch III des CIC) in can. 751. Er lautet: "Schisma nennt man die Ablehnung der Unterordnung unter den Papst oder der Gemeinschaft mit den Gliedern der Kirche, die ihm untergeben sind."16 Das Schisma ist durch die Ablehnung der Unterordnung definiert. Wer innerhalb der katholischen Kirche (vermeintliche) Rechte in Anspruch nimmt, erklärt damit nicht die Ablehnung der Unterordnung. Angesichts der Tatsache, daß die sieben Frauen wiederholt erklärt haben, durch die Weihehandlung Priesterinnen der römisch-katholischen Kirche werden zu wollen17, und daß sie sich wiederholt an den Papst gewandt haben, um als solche anerkannt zu werden18, kann eine Ablehnung der Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche nicht unterstellt werden. Diese Voraussetzung einer Strafbarkeit bedürfte einer Klärung im Rahmen eines Strafverfahrens. Das Exkommunikationsdekret nennt gar keinen Straftatbestand. Es bezieht sich auf das Monitum und spricht von einem "gravissimo delitto da loro compiuto", sagt aber nicht, worin es bestehe. Aus den beiden Verlautbarungen ist also nicht ersichtlich, worauf die Exkommunikation sich stützt. Das Monitum als Strafbefehl? Zunächst einmal läßt der Text selbst das nicht erkennen. Er charakterisiert sich vielmehr selbst als die nach can. 1347 § 1 geforderte Mahnung, von der Auflehnung gegen die Rechtsordnung abzulassen, eine Mahnung, ohne die eine Beugestrafe (wie die Exkommunikation) weder verhängt noch deklariert werden kann. Es sei aber doch geprüft, ob eine Auslegung als Strafbefehl möglich ist. Angedroht wäre die Exkommunikation als Tatstrafe. Bedrohtes Verhalten kann nur etwas sein, was nach dem Erlaß des Strafbefehls geschieht. Das geht daraus hervor, daß auf eine Straftat nur das Gesetz angewendet werden kann, das zur Zeit der Tat galt (bzw., das dem Täter günstigste). Dieser Grundsatz gilt auch für Strafbefehle: Wenn es zur Zeit der Tatbegehung noch keinen Strafbefehl gab, kann er auch keine Strafe rechtfertigen. Tatbestand einer Strafdrohung durch praeceptum könnte dann nur sein, die Anerkennung der Nichtigkeit der "Weihen" zu unterlassen und sich nicht reuig zu zeigen - ein "Unterlassungsdelikt" also. Eine derart mühsame Auslegung der Texte verbietet sich wohl, zumal das Exkommunikationsdekret das Unterlassen als Vorbedingung für den Eintritt der Strafe ansieht und nicht als den Tatbestand, für den es sich auf das Monitum zurückbezieht. Strafbarkeit aufgrund des can. 1399 CIC? Strafbarkeit aufgrund Eigenrechtes der Kongregation? Da die Prüfung des Strafrechtes des CIC ergeben hat, daß die Exkommunikation der sieben Frauen durch diese Normen nicht gedeckt ist, stellt sich die Frage nach anderen leges, nach dem Eigenrecht der Kongregation. Art. 52 der Apostolischen Konstitution "Pastor Bonus"20 schreibt der Glaubenskongregation u.a. die Kompetenz zu, über schwererwiegende Delikte bei der Feier der Sakramente zu entscheiden und kanonische Strafen zu deklarieren oder zu verhängen "ad normam iuris, sive communis sive proprii". Es kann offen bleiben, ob diese Klausel nur Verfahrensnormen eigenen Rechtes meint oder auch materielles Strafrecht. Denn wann immer die Normen für Gläubige verbindlich sein sollen als leges, die nach can. 221 § 3 bei der Bestrafung zu beachten sind, gilt die Regel des can. 7 CIC: "Lex instituitur cum promulgatur" - Ein Gesetz wird wirksam, wenn es bekanntgegeben wird. Normen, die subjektive Rechte garantieren - dazu gehören alle prozessualen Vorschriften des Kirchenrechts, als auch vor allem solche, die subjektive Rechte beschneiden - dazu gehören die materiellen Strafgesetze - können nicht wirksam sein, wenn sie den Gesetzesunterworfenen nicht bekannt gemacht sind.21 Wenn also einmal unterstellt werden soll, daß es ein ius proprium der Glaubenskongregation gebe, das die ausgesprochene Exkommunikation abstützte, muß festgestellt werden, daß es nicht einmal den Fachkanonisten bekannt ist. Es dürfte schwer halten, darin eine lex im Sinne des can. 221 § 3 zu sehen. Bestrafung aufgrund des Jurisdiktionsprimats Die Rechtsentwicklung in der katholischen Kirche, vor allem die abstrakte Formulierung in Form eines Gesetzesrechtes, ist viel jünger als der Investiturstreit. Die Möglichkeit des Papstes, eine Person ohne jede rechtlich normierte Voraussetzung zu exkommunizieren, ist aufgrund des vom Ersten Vatikanischen Konzil definierten Jurisdiktionsprimats erhalten geblieben. Bis zur Reform der Kurie durch Papst Paul VI. im Jahre 196722 war gemäß can. 247 § 1 CIC/1917 der Papst selbst Praeses23 der Glaubenskongregation (damals noch: Sanctum Officium). Das ist heute nicht mehr der Fall. Die Kongregation hat am Jurisdiktionsprimat des Papstes nur den Anteil, den er ihr zuweist.24 Da beide hier analysierten Verlautbarungen der Kongregation nur die Unterschrift des Präfekten und des Sekretärs tragen, aber keinerlei Approbation durch den Papst selbst vermerken, muß die Frage nach der Kompetenz der Kongregation, eine Exkommunikation ohne gesetzliche Strafandrohung und ohne Strafverfahren zu erlassen, unbeantwortet bleiben. Anmerkungen:
Die Gruppe: Weiheämter für die Frauen bittet auf der Basis dieses Artikels weiterzuarbeiten, weiterzuargumentieren und sich weiter für eine "geRECHTe" Kirche einzusetzen. Initiative Gleichberechtigung in der Kirche |